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Roman Ehrlich

Portrait des Schriftstellers Roman Ehrlich
Photo credit Michael Disqué

»Jeder träumt für sich allein den Traum vom unbekannten, unverbrauchten Ort«

Roman Ehrlich studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Freien Universität Berlin. Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Ernst Toller-Preis (2016) sowie mit der Alfred Döblin-Medaille (2017). Ehrlich erzählt in seinen Texten von surrealen Alltagsszenen. In seinem jüngsten Roman "Malé" (2020), mit dem er für die Longlist des Deutschen Buchpreis nominiert wurde, konzentriert er sich auf die dystopische Erzählwelt einer näheren Zukunft. Anhand von Malé, der Hauptstadt der Malediven, spielt Roman Ehrlich literarisch durch, was uns in naher Zukunft erwartet. Es stellt sich die Frage: Wie kann Utopie gelingen, wenn sie nicht alle Interessen wahrnimmt?

»Die einzeln in die neue Gemeinschaft hinein Ausgewanderten verhalten sich solidarisch, jeder einzelne Aussteiger und jede Aussteigerin, im eigenen Individualismus kompromisslos, ist am Ende doch vereint im Gruppenbild einer auf Grund gelaufenen Besatzung, die ihrem Schiff die Treue hält. Jeder träumt für sich allein den Traum vom unbekannten, unverbrauchten Ort und teilt dadurch mit den anderen dieselbe Vision von Ankunft, Erforschung und Entdeckung und dabei auch die tägliche Realität aus Warten und Spähen, dem Lesenlernen der Phänomene des Wetters und der Gezeiten und dem tiefen Bedürfnis nach ausführlichen Gesprächen, über den Stand der Dinge und das innen, in einem, herrschenden Gefühl. Unendliche Freizeit, Langeweile und eine fundamentale Heimatlosigkeit legen den im versinkenden Inselstaat abgestiegenen Aussteigern das regelmäßige Trinken und Reden so nahe ans Herz wie sonst nur noch die Selbstbefriedigung und den künstlerischen Ausdruck.«

(Aus: Roman Ehrlich: Malé, S. Fischer Verlag 2020)

Roman Ehrlich schreibt vom Leben in einer nahen Zukunft, in der sich die Folgen des Klimawandels nicht mehr ignorieren lassen. Schauplatz der Handlung und zugleich Titel des Romans ist die Hauptstadt der Malediven, die aufgrund des steigenden Meeresspiegels buchstäblich dem Untergang geweiht ist. Malé avanciert trotzdem zu einem Fluchtpunkt für wohlstandsgesättigte Aussteiger*innen der westlichen Welt, die in dem ländlichen Setting eine neue Utopie zu finden hoffen. Die Umweltveränderungen bilden den Hintergrund für die Aushandlungsprozesse, in denen die Insel-Gemeinschaft mit neuen Freiheiten und Unfreiheiten zu kämpfen hat, um Leben und Überleben angesichts einer übermächtigen Krise.